Glocken
Unserer Lieben Frau
Im Herbst 1891 wurde das erste Geläute der Liebfrauenkirche gegossen. Die Glockengießerei Josef Rosenlächer in Konstanz bekam den Auftrag, nachdem am 1. Juli 1891 die Anschaffung der Glocken genehmigt worden war. Die Disposition des Geläutes war vom damaligen Erzb. Orgelbauinspektor Gageur bestimmt worden: der Septimenakkord D, fis, a, c. Die kleinste Glocke war entweder durch einen Fehler beim Gießen oder durch Veränderung der Glockenwand infolge Abnutzung in ihrem Klang zum cis geworden. Dadurch entstand eine gewisse Disharmonie; dennoch galt das Geläute, besonders der großen Glocke, als klangvoll.
Die vier Glocken des ersten Geläutes:
- „Große Glocke“: Name: „Josef“ – D – Gewicht: 1655,5 kg – Durchmesser: 140 cm – gestiftet von Dekan und Stadtpfarrer Josef Benz, St. Stephan;
- „Sonntags-Glocke“: Name: „Petrus“ – fis – Gewicht: 877,5 kg – Durchmesser: 120 cm;
- „Kleine Glocke“: Name: „Bonifatius“ – a – Gewicht: 500 kg – Durchmesser: 95 cm;
- „Kleinste Glocke“: Name „Bernhardus“ – c (bzw: cis) – Gewicht: 308 kg – Durchm.: 78 cm.
Die Glockenweihe erfolgte am Nachmittag des 8. Dezembers 1891, am Tag der feierlichen Benediktion unserer Pfarrkirche Unserer Lieben Frau.
Glockenabschied
Das Jahr 1917 brachte für viele Gemeinden den Glockenabschied. Infolge des ersten Weltkrieges und der Materialknappheit mussten alle Bronzeglocken abgegeben werden. Der Stiftungsrat versuchte zwar im Mai 1917 die Glocken wegen ihrer Verzierung und künstlerischen Gestaltung zu retten, aber es half nichts. Am 9. Juni 1917 wurde nur bescheinigt, dass für Läutezwecke die kleinste Glocke belassen werde. Am 30. Juni musste der Stiftungsrat mit der Glockengießerei (!) Bachert in Karlsruhe einen Vertrag über die Abmontierung der Glocken schließen, die am 4. Juli 1917 erfolgte. Dabei wurden drei Glocken vom Turm heruntergeworfen! Lassen wir den damaligen Pfarrer Karl Haungs zu Wort kommen:
„In der Kriegsnot des Weltkrieges 1914/17 wurden die drei großen Glocken beschlagnahmt und enteignet; nur die kleinere durfte als „Läuteglocke“ zurückbleiben. Unter Weinen und Schimpfen ließen die Pfarrangehörigen am 4. Juli 1917 ihre liebgewonnenen Glocken in den grausigen Krieg ziehen. Die Glocken wurden abgeschraubt und heruntergeworfen; alle drei kamen unversehrt am Boden an. ... Jetzt wimmert noch die kleine Glocke voller Heimweh den großen nach...“
Nach dem Weltkrieg begann man bald mit Plänen für neue Glocken. Aber die Inflation setzte ein, so dass die Anschaffung neuer Glocken in weite Ferne zu rücken schien. Die Idee des Lehrers Werner Berberich aus der Gemeinde, einen Glockenverein zu gründen, wurde in der Silvesterpredigt 1920 der Pfarrei vorgestellt. Sofort begann man mit der Umsetzung und warb Mitglieder, die mindestens 200 Mark beisteuern sollten. Genau 400 Mitglieder waren bereit, Geld für die neuen Glocken zu spenden bzw. in Bekanntschaft und Nachbarschaft dafür zu sammeln. Im Juli 1921 konnte das Geläute bestellt werden. Aber auch die Tragfähigkeit des Turmes musste untersucht werden und verzögerte die Anschaffung der Glocken. Schon 1920 war man mit verschiedenen Glockengießereien in Verhandlung: Grüninger, Villingen – Bachert, Karlsruhe – Pietzel & Co, Dresden. Eine lange Entscheidungsphase war notwendig, da man beschließen musste, ob die alte Glocke miteinbezogen werde und drei Glocken anzuschaffen oder ob gleich vier neue Glocken in Auftrag zu geben seien. Der Orgel- und Glockeninspekteur Steinhart schlug eine neue Disposition vor: es, g, b, c – die Intonation des Chorals „Salve Regina“. Da man dies für die Liebfrauenkirche als passend empfand, musste die alte kleine Glocke weichen und bei der Glockengießerei Bachert, Karlsruhe wurden vier neue Glocken in Auftrag gegeben.
Zur Finanzierung trugen nicht nur die Mitglieder des Glockenvereins bei, sondern auch die Vereinigungen der Gemeinde waren aktiv. Als Beispiel sei hier der Katholische Männerverein Karlsruhe-Süd genannt, der am 5. Oktober 1921 ein Wohltätigkeitskonzert zu Gunsten der Beschaffung von Glocken veranstaltete. 400 Mitwirkende sorgten für einen Erfolg, darunter waren allein 160 (!) Sänger des Männerchores des Vereins. Am 14. Oktober erfolgte der Guss der vier Glocken in Anwesenheit einer Delegation aus der Pfarrei. Am 12. November 1921 konnten die Glocken abgeholt werden und erreichten in feierlichem Zug die Kirche. Den Transport übernahm die Fa. Werner & Gärtner. Herr Werner war der Schwiegervater des im Dritten Reichs hingerichteten Widerstandskämpfers Reinhold Frank, dessen Witwe viele Jahre bis zu ihrem Tod im Bernhardushaus in der Augartenstraße lebte. Die Weihe der Glocken nahm Dekan Link am 13. November vor. Abends war die Gemeinde zur Glockenfestfeier in den Saal der Walhalla eingeladen. Schon am Tag danach begann die Montage. Am 18. November erfolgte das erste Läuten, zu dem eine unübersehbare Menge Menschen kam. Wieder einmal hatten die Südstädtler ihren Opfergeist bewiesen: Die Südstadt hatte in Karlsruhe als erste Gemeinde von denen, die ihrer Glocken beraubt worden war, wieder ein Geläute.
Rückkehr der Glocken
Was die Rückkehr der Glocken für unsere Gemeinde bedeutete, kann man nachempfinden, wenn man liest, was im Basler Volksblatt (!) vom 29. Dezember 1921 geschrieben stand:
„Mitten hinein in die garstigen Melodien des politischen Liedes, in die Disharmonien des staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens, ..., tönt in den letzten Tagen und Wochen von der Grenze herüber ein ungewohnt freundlicher, harmonischer Klang. ... Ja, die Glocken kehren wieder in unserem badischen Nachbarland, sie, die ... ein Opfer des grausamen Krieges geworden waren.
... Als vor einigen Wochen mit großer Feierlichkeit die Glocken der Liebfrauenpfarrei in Karlsruhe geweiht waren, wurde das erste Geläute in abendlicher Stunde zu einem wahren Volksfest. Hunderte und Hunderte von Pfarrgenossen sammelten sich auf dem Kirchplatze. Der Turm war festlich beleuchtet. Musik- und Gesangsvorträge verherrlichten die denkwürdige Stunde...“
Die neuen Glocken
Die neuen Glocken wurden vom Glockeninspektor so beurteilt: „Die Firma Gebr. Bachert hat mit dem neuen Vierergeläute U.L.Frau ein Meisterwerk geschaffen, zu dessen Besitz man die opferfreudige Pfarrgemeinde aufrichtig beglückwünschen kann.
Die einzelnen Glocken:
- „Herz-Jesu“ – es – Gewicht: 1474 kg – Durchmesser: 135 cm – Inschrift: „Cor Jesu sacratissimum, miserere nobis!“ (Heiligstes Herz Jesu, erbarme dich unser!);
- „Mutter Gottes“ – g – Gewicht: 734 kg – Durchmesser: 105 cm – Inschrift: „Salve Regina!“ (gegrüßet seist du Königin!);
- „Josef“ – b – Gewicht: 403 kg – Durchmesser: 87 cm – Inschrift: „Beatissime Josef, ora pro nobis!“ (Seligster Josef, bitte für uns!);
- „Schutzengelglocke“ – c – Gewicht: 291 kg – Durchmesser: 77 cm – Inschrift: „Angele Dei, custodi nos ab omni malo!“ (Engel Gottes, behüte uns vor jedem Übel!).
Alle Glocken hatten zusätzlich ein Bild und die Inschrift: „Gestiftet von der Liebfrauenpfarrgemeinde Karlsruhe im Jahre 1921.“ Trotz der Einschränkung des Gewichtes bedingt durch die Statik des Turmes konnten die Glocken in der schweren Rippe, „Gloriosarippe“, gegossen werden.
Glocken 1941
Während das erste Geläute 25 ½ Jahre die Pfarrgemeinde zum Gottesdienst rufen konnte, war dies den Glocken von 1921 nur 20 Jahren vergönnt. Im Frühjahr 1940 kommt es noch zu Überlegungen, eine elektrische Läuteanlage installieren zu lassen. Da dies aber nicht als „reichswichtig“ angesehen wurde, hatte die Pfarrei keine Möglichkeit ihren Wunsch zu verwirklichen. Auch wurde bereits im April 1940 die Beschlagnahmung der Glocken aus Bronze angekündigt. Der Meldbogen dafür wurde am 4. Mai 1940 vom Pfarramt ausgefüllt. Wieder durfte nur die kleinste Glocke auf dem Kirchturm verbleiben, und am 31. Dezember 1941 musste die Liebfrauenkirche zum zweiten Mal ihre Glocken für Kriegszwecke abgeben.
Durch die Zerstörung der Kirche, wobei der Turm und der Chorraum besonders betroffen waren, konnte die verbliebene Glocke ab Pfingsten 1944 nicht mehr geläutet werden. Nachdem sie bei der Fa. Bachert, Heilbronn im November und Dezember 1948 repariert wurde, konnte die Glocke ab Weihnachten 1948 wieder zum Gottesdienst einladen. Ab 1949 kamen Anfragen und Angebote für ein neues Geläute. Aber in diesen Zeiten war in der Liebfrauenkirche noch nicht an neue Glocken zu denken.
1958 wurde auf Antrag des Stiftungsrates der Turm auf seine Tragfähigkeit hin statisch untersucht. Da 1959 jedoch zunächst die Orgel mit einem dritten Bauabschnitt fertiggestellt werden sollte, wurde das Jahr 1961 für die Aufgabe der Neuanschaffung der Glocken angesteuert. Im November 1960 forderte ein Brief an die Pfarrgemeinde zu Spenden auf, auch die ehemaligen Pfarrangehörigen wurden angeschrieben: „Eines fehlt noch nach der Zerstörung und dem Wiederaufbau unserer Kirche: die Glocken!“ Die Pfarrei war nun die einzige Pfarrei in Karlsruhe, die noch keine Glocken besaß. 1961 wurde eine Glockensammlung durchgeführt. Die Pfarrei war in Bezirke aufgeteilt, und Helfer holten die Spenden zu Hause ab. Neben der Firma Bachert wurde auch von der Glockengießerei F.W. Schilling, Heidelberg ein Angebot eingeholt. Da die Fa. Bachert ein teureres Angebot ablieferte, wurde der Auftrag an die Gießerei Schilling vergeben. Die alte Glocke wurde in Zahlung genommen. Gleichzeitig wurde auch der Auftrag für eine elektronische Läutemaschine erteilt an die Fa. Herforder Elektrizitätswerke. Wie so oft traten aber neue Schwierigkeiten auf. Ein Gutachten der Technischen Hochschule Karlsruhe, Institut für Beton- und Stahlbetonbau, ergab, dass die Wände des Turmes durch einen Stahlbetonrahmen unterhalb der Glockenstube verstärkt werden mussten. Dadurch kam es zu höheren Kosten und einer zeitlichen Verzögerung.
Das Gutachten brachte ein weiteres Ergebnis: Der Plan, eine zehn bis zwölf Meter hohe Turmspitze aufzusetzen, um so wieder den gotischen Stil der Kirche zu unterstreichen, musste aufgegeben werden. Denn das Aufsetzen eines Turmhelmes bedeutete für die Fundamentverhältnisse einen „Gefahrenmoment“. Ebenfalls würde eine bauliche Veränderung die Aufhängung der Glocken um Jahre verzögern, zumal rund 50.000 € als Kosten auf die Pfarrei ferner zukämen. Aus diesen Gründen musste die Pfarrei auf eine Turmspitze verzichten.
Am 12. Januar 1962 konnte eine Pfarreidelegation endlich beim Gießen der Glocken in Heidelberg anwesend sein. Freudig empfing die Gemeinde am 9. März 1962 in der Meidingerstraße ihre neuen Glocken und begleitete sie durch die Marienstraße zur Kirche. Am 11. März erfolgte die Weihe durch Dekan Prof. Fluck.
Glockenweihe
Endlich war mit den neuen Glocken – 17 Jahre nach Kriegsende – der Wiederaufbau der Kirche abgeschlossen. Die Pfarrangehörigen bewiesen in dieser Zeit eine große Opferbereitschaft. Aber neue Aufgaben mussten bewerkstelligt werden. Das Canisiushaus wartete endlich auf den Neubau.
Die neuen fünf Glocken aus Bronze wurden in mittlerer bis mittelschwerer Rippe (= Dicke der Glocke) gegossen. Die kleinste Glocke sollte zunächst „St. Michael“ genannt werden. Da diese Glocke aber dann gestiftet wurde, wurde sie dem Wunsch der Spender gemäß nach „Christophorus“ benannt. Das Geläute geht auf einen Vorschlag des amtlichen Glockensachverständigen, Baurat Hans Rolli, zurück:
Glocken 1962
- „Christus“ – es’ – Gewicht: 1353 kg – Durchmesser: 127 cm – Inschrift: „+ CHRISTUS“ „ICH BIN DER WEG / DIE WAHRHEIT UND DAS LEBEN“ „GEGOSSEN IM JAHR DES HERRN 1961 VON F. W. SCHILLING IN HEIDELBERG“;
- „Maria“ – f’ – Gewicht: 974 kg – Durchmesser: 113 cm – Inschrift: „+ MARIA“ „MARIA / KÖNIGIN DES FRIEDENS / BITTE FÜR UNS“;
- „Josef“ – as’ – Gewicht: 607 kg – Durchmesser: 97 cm – Inschrift: „+ ST. JOSEF“ „SEGNE HERR UNSERER HÄNDE WERK“;
- „Bernhard“ – b’ – Gewicht: 423 kg – Durchmesser: 86 cm – Inschrift: „+ ST. BERNHARD“ „SELIG DER KNECHT DEN DER HERR / WENN ER KOMMT / WACHEND FINDET“;
- „Christophorus“ – c’’ – Gewicht: 304 kg – Durchmesser: 77 cm – Inschrift: „+ ST. CHRISTOPHORUS“ „NUR DEM HÖCHSTEN DIENEN“ „GESTIFTET VON FAMILIE REITERMANN“.
Abschließend kommt der Glockensachverständige Hans Rolli mit seinem Urteil vom 6.8.1962 zu Wort: „So hat nun die Liebfrauenkirche ein wirklich würdiges, in seiner Melodik unerhört reiches Geläute bekommen, das das Vorkriegsgeläute weit übertrifft.“
Im Januar und Februar 2017 erfolgten notwendige Reparaturen am Glockenstuhl durch die Glockengießerei Bachert Karlsruhe. Aus Eichenholz gefertigte Holzjoche wurden zum Glockenstuhl hochgezogen und ersetzten die 55 Jahre alten Stahl-Joche aus dem Jahr 1962. Alle fünf Glocken erhielten auch neue Klöppel. Verschiedene Läutemaschinen mussten auf elektrische Steuerung durch die Firma Elektro Schöneich umgerüstet werden und alle Läutemaschinen bekamen neue Läute-/Seilräder. Die vorhandenen Schallfenster wurden ebenfalls restauriert, teilweise mussten Schallleitbretter ausgetauscht und neu angebracht werden. Um die zulässigen Immissionswerte einzuhalten, wurden innen auf die Schallleitbretter Hölzer angebracht, damit alle Öffnungen verschlossen sind.
Unsere Liebe Frau
Augartenstr. 50
76137 Karlsruhe
Information und Kontakt
Gemeindeteam Unserer Lieben Frau
Philip Kögele & Sebastian Kuhn
gemeindeteam-ulf@allerheilihen-ka.de